Empfang des historischen Maschinensenders "SAQ" in Grimeton / Schweden.


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Hallo erst mal,

wir Amateurastronomen haben ja alle noch unsere anderen Baustellen... ähm Interessen. Der Eine spielt Fußball, der Nächste ist in den Schützen, und andere modellieren virtuelle Welten. Ich schleppe einen ganzen Haufen solcher "Infektionen" mit mir rum. Es ist eine gute Idee, die mal vorzustellen, besonders bei einer Schlechtwetter-Katastrophe wie die letzten Wochen.

Bei mir ist grade eine meiner ganz alten Infektionen wieder ausgebrochen:
Seit früher Kindheit interessiere ich mich schon stark für Radiotechnik. Das fing so mit etwa 8 Jahren an, als ich bei Onkel und Tante zu Besuch war. Mein Vater saß damals mit meinem Onkel vor dem Schwarz-Weiß Fernseher (Farb-TV gabs damals noch nicht) und die beiden schauten Fußball. Mein Vetter, zwei Jahre älter als ich, holte damals eine Flachbatterie, einen Gleichstrommotor und ein paar Strippen aus der Schublade. Wir standen dann hinter der Türe und der laufende Gleichstrommotor produzierte so viele Störungen im Fernseher, dass mein Vater und der Onkel heftig rum schimpften, ohne den wahren Grund des Problems zu erkennen. Ich war auch damals ziemlich schadenfroh und so hat dieses Erlebnis einen solchen Eindruck hinterlassen, dass es mein ganzes weiteres (Berufs-)Leben geprägt hat.

Soweit die Einleitung, jetzt zum Grund des aktuellen Ausbruchs:
Vor einigen Wochen machten meine Frau und ich eine nette, kleine Reise durch Süd-Skandinavien, Stockholm, Oslo, Göteborg, Kopenhagen und etwas Kleinkram zwischendurch. Die Anreise war per Flugzeug und die Runde dann mit dem Bus.

Auf der Strecke von Göteborg runter nach Malmö, um von dort aus über die Öresund-Brücke nach Kopenhagen zu fahren, sagte der Reisebegleiter plötzlich: "Wir fahren grade an "Grimeton" vorbei, dort gibt es einen historischen Radiosender."
Ich wahr warscheinlich der Einzige im Bus, bei dem dabei alle Lampen angingen. Ich kenne diesen Sender schon lange aus der Literatur und dem Internet und der ist etwas ganz Besonderes. Es ist nämlich der einzige noch existierenede und funktionsfähige "Maschinensender" der Welt. Er feiert nächstes Jahr 2024 sein 100jähriges Bestehen und gehört seit 2004 zum UNESCO Weltkulturerbe. Der Sender wird von einem Verein ehrenamtlich betrieben und sendet jedes Jahr mindestens zweimal eine Botschaft in Morsecode.
Wer sich näher dafür interessiert, der findet im Netz viele Informationen, z. B. auf der SAQ-Website:
https://alexander.n.se/
oder bei Wikipedia:
https://de.wikipedia.org/wiki/L%C3%A4ngstwellensender_Grimeton

So, nun zurück zur Infektion:
Dieses Ereignis hat mich dazu bewogen, dieses Jahr zu versuchen die Weihnachtsbotschaft zu empfangen. Nun kann man das Signal nicht mit jedem beliebigen Radio empfangen, denn die Sendefrequenz liegt im VLF-Band (Verry Low Frequency), also noch unterhalb des Langwellen-Rundfunkbandes. Mehr noch, die Frequenz von 17,2 kHz liegt sogar im Audio-Bereich, also in einem Bereich, den, zumindest junge Menschen, sogar hören könnten, wenn es denn Schallschwingungen wären. Da die optimale Größe einer Antenne von der Wellenlänge, in diesem Falle gut 17 km, abhängt, würde das ein wenig "unhandlich". Zum Glück kann man solche Signale auch mit "nicht so ganz optimalen" Antennen empfangen, aber so ganz simple ist das leider nicht.

Eine Möglichkeit, für die ich mich entschieden habe, ist eine s. g. "Rahmenantenne". Natürlich sollte die wiederum möglichst groß sein um ein gutes Ergebnis zu erzielen. Ich habe mal in die Restekiste geschaut und rausgekommen ist dabei dieses Monstrum mit ca. 80cm Durchmesser:


Abgestimmte Rahmenantenne mit Vorverstärker.

Den Vorverstärkereingang habe ich hochohmig ausgeführt. Es hätte auch die Möglichkeit gegeben, mittels Koppelschleife das Signal niederohmig aus der Loop auszukoppeln, aber mit dem hochohmigen Eingang des Vorverstärkers habe ich die Option, auch eine E-Feld Antenne zu nutzen. Das funktioniert auch ganz anständig, ist aber empfindlicher auf Störungen.


Das Schaltbild, mit FET-Vorverstärker und Coax-Treiber.


Den Empfänger würde ich eigentlich ganz gerne, historisch angelehnt, in Röhrentechnik aufbauen, aber das ist bis Weihnachten nicht zu schaffen. Also werde ich dazu moderne Technik bemühen (Transistoren, integrierte Schaltkreise). Am einfachsten wäre, einen Antennendraht an den Eingang einer Soundkarte anzuschließen. Das geht technisch auch, wäre mir aber ein zu großer Stilbruch.
Außerdem gibt es für den Empfang ein kleines Problemchen: In unseren Haushalten befinden sich mittlerweile so viele Störquellen (Schalt- Steckernetzteile, Internet über Stromleitung, ...), dass man zum Empfang raus aufs Feld muss, also möglichst weit weg von allen Störquellen. Was stark an unser Problem mit der Lichtverschmutzung erinnert. Das ganze muss also Batterie- / Akku-betrieben aufgebaut werden.

Hier ein Bild des Empfängers im endgültigen Zustand:




Bleibt noch das Problem mit dem Morsecode. Ich kann zwar ein paar Zeichen raushören und in einem Monat wäre der Rest erlernbar, aber an die nötige Geschwindigkeit käme ich in der Zeit nicht ran. Also muss eine Möglichkeit zur Aufzeichnung her. Am einfachsten wäre wieder der PC, aber wie schon gesagt... Stilbruch :-/

Nach etwas Überlegung habe ich mich für die "historisch korrekte" Möglichkeit, nämlich den Bau eines Morseschreibers, entschieden. Hier ein Foto des funktionsfähigen Schreibers:



Der Antrieb für den Papierstreifen wäre historisch korrekt ein Ferderwerk, ich habe aber einen Getriebemotor eingebaut (unten links im Kasten hinter der Transportrolle). Die Mechanik ist nicht sehr anspruchsvoll und konnte weitgehend in Sperrholz gebaut werden, wenn auch poliertes Messing korrekter und schöner wäre, aber ich will es nicht übertreiben.
Eine kleine Herausforderung war noch, aus der 40m Kassen-Papierrolle einen passenden, schmaleren Streifen zu schneiden. Dazu baute ich mir eine kleine Vorrichtung, die ganz gut funktioniert hat.

Das wäre soweit der Stand der Dinge. Ich liege zeitlich ganz gut im Rennen und ich werde weiter berichten.


03.12.2023:

Die Elektronik des Empfängers baue ich in Modulen auf, so kann ich diese einzeln testen und später zum fertigen Gerät zusammen fügen.
- Quarz-Localoszillator speziell für SAQ
- VFO für das weitere VLF-Band
- Mischer-Einheit
- NF-Einheit
- Signaldetektor zur Ansteuerung des Schreibers

Desweiteren habe ich einen kleinen quarzstabilisierten Testsender aufgebaut. Dieser dient dem Test des Empfängers und ich kann mit dessen Hilfe später im Feld die Antenne abstimmen.

Für die Spezis hier noch ein paar Infos zu Testsender und Quarz-LO. Die Signale leite ich von 8 MHz TTL-Oszillatoren ab. Hier die Angaben zu den nötigen Teilern:
Testsender: 8 MHz TTL-Osz., :5 (74LS90), :3 (HEF4017), :31 (HEF4024, HEF4081) = 17,2043... kHz
LO: 8 MHz TTL-Osz., :5 (74LS90), :7 (HEF4017), :7 (CD4017), :2 (CD4013) = 16,326... kHz


Nachdem ich die ersten, für SAQ notwendigen, Module aufgebaut hatte, erfolgte ein erster Test auf einem einfachen Prüfstand aus Holzresten. Dieser verlief erfreulich erfolgreich, wie das folgende Video zeigt:

Fürs Video bitte hier klicken!

Links etwas abseits der Testsender. Auf dem Teststand von links nach rechts:
Der nicht angeschlossene Antennenvorverstärker, der Quarz-Localoszillator, das NF-Modul, ein Leermodul für den VFO und schließlich die Mischer-Einheit.

Als Nächstes ist der VFO dran, damit ich mal im realen VLF-Band horschen kann.


15.12.2023:

Hier das Schaltbild des Empfängers zum jetzigen Zeitpunkt:



Die Schaltung ist angelehnt an eine Veröffentlichung von DL1STO, siehe:
https://opppf.de/SAQ-Grimeton/index.html"
Allerdings habe ich sie nach meinen Bedürfnissen deutlich erweitert.


Und das Schaltbild des Lokal Oszillators mit dem VCO des CD4046.


17.12.2023:

Es wird langsam spannend, nur noch eine Woche. Deshalb stand heute ein erster "Feldversuch" mit allen Komponenten auf unserer Terrasse an.
Die Antenne hatte noch eine Adapterplatte zum Aufbau auf ein Stativ bekommen:



Nach Beseitigung einiger Restfehler (ich hatte alles vorher ausgiebig getestet ;-) funktionierte es dann so wie vorgesehen:

Video des ersten "Feldversuchs":

Und ein paar kurze und lange Striche konnte ich auch aufzeichnen:

Video "kurze und lange Striche":

Der erste Punkt wurde leider etwas "geschlabbert". Der Schreiber hat einen automatischen Papiervorschub-Start und -Stop, der braucht einen Moment für den Start.


22.12.2023:

Für heute, kurz nach Mittag, war die Test-Aussendung von SAQ angekündigt. Eigentlich war geplant, auf freiem Feld zu versuchen die Sendung zu empfangen. Da nicht klar war, ob man seine Gummistifel jemals wieder aus dem Schlamm raus bekommen würde, habe ich den Test kurzerhand auf meine überdachte Terrasse verlegt. Das ist zwar wegen der Störungen nicht optimal, aber immer noch besser als garnicht.
Gegen Mittag traf dann ein guter Ex-Kollege, seineszeichens Funkamateur mit Morse-Erfahrung, mit samt seienem Sohn ein, wir waren also anfangs zu Dritt. Später stieß dass noch ein Astro-Freund hinzu, also ab dann zu Viert.



Die Empfangsanlage hatte ich schon vorher aufgebaut und ab 13 Uhr horchten wir gemeinsam erwartungsvoll dem Gedudele des Lautsprechers. Da wir nicht wussten was wir erwarten konnten, wurde in das Gedudel so manches Signal hereininterpretiert, aber was Eindeutiges war das nicht. Bis dann gegen 13h20 ein eindeutiges und recht starkes Signal auftrat und nach kurzer Justage der Frequenz eineige "...-" ("v") gefolgt mit "-..  ." ("de") und dem Rufzeichen "...  .-  --.-" ("saq") aufzunehmen war :-). Wir waren alle über das saubere Signal erstaunt und erfreut.

Hier mal eine kurze MP3-Aufnahme einer solchen Sequenz:
2023-12-22-MP3:

Das war somit schon mal der erste Erfolg. Wir verfolgten die Testaussendung weiter und es wurde im weiteren Verlauf sogar ein Text gesendet. In diesem wurde die Aussendung der Weihnachtsbotschaft für dem Morgen des 24.12. um 8h UT, d. h. um 9h unserer Zeit angekündigt.

Einen Wermutstropfen hatte die Sache dann aber doch noch: Wegen den sonstigen Signalen in dem Frequenzband, vor allem U-Boot Kommunikation, war SAQ nicht dominat genug um störungsfrei mit dem Morseschreiber aufgezeichnet zu werden. Hier könnte ein schmaleres Niederfrequenz-Filter helfen, welches ich aber in der Kürze nicht mehr aufbauen werde. Ich werde die Weihnachtsbotschaft stattdessen mit dem MP3-Recorder aufzeichnen und "offline" übersetzen. Zur Not wird mir mein Ex-Kollege dabei sicher behilflich sein.


24.12.2023:

Heute morgen war es dann soweit. Pünktlich um 9 Uhr unserer Zeit begann die Übertragung der Weihnachts-Grußbotschaft des historischen Senders in Morse-Code. Ich hatte die Anlage schon zeitig vorher fertig gemacht und konnte so auch die Inbetriebnahme mit der Einstellung der Sendefrequenz sowie die Test-Schleifen mit "...-" ("v") und Rufzeichen "...  .-  --.-" ("saq") aufnehmen. Also alles klar für die Botschaft.

Hier der MP3-Mitschnitt:
(Am Anfang hört man noch das Ende der Testschleife. Dann gibt es eine längere Pause, die der Umschaltung auf Morse-Tase
geschuldet ist. Erst dann folgt die eigentliche Grußbotschaft. Also nicht ungeduldig werden!)
2023-12-24_2.MP3:

Das Signal war nicht so gut wie bei der Testsendung zwei Tage vorher. Trotzdem dürfte der Inhalt zu verstehen sein, wenn man es denn "lesen" kann... ;-/
Aber dafür haben wir ja den Screenshot von der SAQ-Website:


(Die Erlaubnis zur Verwendung von SAQ-Screenshots liegt vor!)



Eine Aufzeichnung der Übertragung kann man sich auch auf YouTube anschauen:


Zu YouTube bitte auf das Bild oder diesen Link klicken!
(Die ersten gut 5 Minuten tut sich nicht viel, die kann man getrost überspringen)



Hier noch ein Screenshot meiner Empfangsbestätigung von der "SAQ Listener's Report Map" von deren Webseite:



Und noch der Link zur "SAQ Listener's report Map":
Zur "SAQ Listener's Report Map" bitte hier klicken!
(Zum Anschauen meiner Empfangsmeldung, bitte auf das dunkelblaue Symbol bei "Heinsberg" klicken.)



Dann noch eine Bemerkung, was ich mit der jetzigen Erfahrung anders machen würde:
   Eigentlich habe ich hier nicht viel aufzuzählen, es hat weitgehend so funktioniert, wie ich es mir vorgestellt hatte.
   Allerdings würde ich mir den quarzgesteuerten Local Oscillator ersparen. Der VFO mit 4046 ist dicke stabil genug und
   die Frequenzeinstellung für SAQ ging super mit dem kleinen Testsender.



So, zum Schluss gehört hier natürlich auch die E-QSL Karte rein, die ist nämlich mittlerweile eingetroffen:

:-)



Das Ganze war jedenfalls ein tolles Projekt und ich werde es bestimmt weiter versuchen, die Botschaften dieses ganz besonderen Senders zu empfangen.



Vielen Dank an das SAQ-Team! Ich finde es wichtig, dass solche einzigartigen Zeugen der Technik-Geschichte erhalten werden. Klasse!


mail: Reinhard.Lauterbach[at]freenet.de