Röhren-Basteleien die 2. Ein etwas 'edelerer'
Verstärker:
Diesmal sollte es ein "wohnzimmertauglicher" Verstärker werden
mit ausreichend hohem WAF (woman acceptance factor
;-).
Bei ebay werden immer mal wieder Chassis von Stereo Röhrenradios
angeboten, angeblich ausgebaut aus Musiktruhen (möge ja manchmal auch
stimmen). Leider dürfte ein nicht erheblicher Teil dieser Chassis
aus Radios stammen die gefleddert wurden nur um an die Lautsprecher zu
gelangen (für diese werden vor Allem aus dem asiatischen Raum ziemliche
Summen gezahlt). Meiner Meinung nach sollten solche Geräte aber als
Ganzes erhalten werden.
Jedenfalls hatte ich mir ein solches Chassis ersteigert und den Schaltplan
dazu besorgt um es einer sinnvollen weiteren Verwendung zuzuführen.
Die Ausführung der NF mit EF86 und EL84 sowie EI60 Ausgangstrafos
ließen ein brauchbares Ergebnis erwarten. Hier nun einige Bilder
zu dem Projekt:
Chssis ohne Aufbauten. Die Röhrenfassungen sitzen auf einem
Innenchassis.
Innenansicht des Gehäuses mit Innenchassis. Das Innenchassis
läßt sich nach lösen
von vier Muttern einfach heraus nehmen.
Der Rohbau im Montagerahmen. Der Rahmen dient vor Allem der Montage
der Innereien.
Man kann das Chassis dann kopfüber einlegen und kommt bequem
an den Innenraum
heran ohne die Aufbauten zu beschädigen. Links hinten sieht
man einen der Ausgangstrafos
montiert zwischen vier Stehbolzen mit Innengewinde, diese dienen
auch der Befestigung der
Trafohauben.
Fertiger "Rohbau", innen ist der Verstärker zur Zeit noch nackt
(ich konnte es mir aber nicht verkneifen die
Röhren einmal reinzustecken ;-)
Das Schaltbild des Verstärkers. Ich
habe es absichtlich so gezeichnet, daß man die Masseführung
gut nachvollziehen kann.
Für eine vergrößerte Version
des oberen Kanals bitte auf's Schaltbild oder diesen Text klicken.
Plan für die Verdrahtung des Chssis ...
... und die reale Ausführung.
Inbetriebnahme:
Nachdem ich sorgfältig nochmal die Verdrahtung eines Kanals mit der Originalschaltung des Radios verglichen hatte habe ich mir gedacht, der andere Kanal wird wohl auch in Ordnung sein und habe eingeschaltet. Nach dem Aufheizen der Röhren hatte ich auch gleich Musik, aber nur aus einem Kanal ... dem nicht geprüften ... "Schxxx Murphy!". Nach einer weiteren längeren (!) Suche stellte ich dann fest, dass der Kathodenwiderstand der nicht arbeitenden EL84 nur einseitig angelötet war, das andere Ende lag mit kleinem Spalt über dem Massedraht (kaum zu sehen). Also war es nichts Schlimmes und schnell behoben. Nun arbeiteten beide Kanäle, aber es war ein deutliches Netzbrummen zu hören, auch bei zugedrehtem Lautstärkeregler. Die Heizspannungsleitungen sind verdrillt und die Heizspannung an einer der EF86 symmetriert. Als Nächstes werde ich mir eine Siebdrossel besorgen um den Restbrumm auf der Anodenspannung besser zu unterdrücken, ich nehme an das wird Abhilfe schaffen. Ich werde hier darüber berichten.
Update eine gute Woche später:
Mittlerweile habe ich die Ursache für den doch recht starken Brumm
gefunden (Vielen Dank nochmals für die Tips im Forum von Jogis-Röhrenbude)
und um es gleich zu sagen, es lag nicht an einer zu schlecht gesiebten
Anodenspannung. Aber erstmal von Anfang an: Mir war aufgefallen, dass der
Brumm nochmal deutlich stärker wurde, wenn ich das Blechpaket des
Netztrafos berührte. Machte ich aber mit den Fingern eine Verbindung
von Blechpaket zum Chassis, dann war der Brumm total weg. Daraufhin vermutete
ich eine kapazitive Kopplung der Wicklungen auf den Kern, welchen ich "vorsichtshalber"
isoliert aufgebaut hatte, was sich dann aber als Fehler herausstellte.
Auf dem Blechpaket lag nun also eine hochohmige 50Hz Wechselspannung mit
einigen zehn Volt Amplitude. Das somit vorhandene elektrische Wechselfeld
koppelte nun auf die EF86 Eingangsröhren. Normalerweise würde
man jetzt die Röhren mit einem Abschirmbecher versehen, aber das kam
für mich aus optischen Gründen nicht in Frage. Als Alternative
hatte ich schon an eine komplett-Abschirmung des Netztrafos gedacht, aber
dann habe ich erstmal versucht, das Blechpaket an einem der Stehbolzen,
die die obere Trafohaube halten, auf Chassispotential zu legen. Dies brachte
dann den gewünschten Erfolg und machte fast keinen Aufwand. Einen
Nachteil hat die Sache jetzt doch noch: Man muss darauf achten, dass in
der Nähe keine Geräte sind welche ein elektrisches Wechselfeld
aussenden, wie der CD-Player auf dem Bild, wenn er nicht mit der Endstufe
verbunden ist weil man gerade Vinyl-Scheiben hört. Das Problem wird
sich aber von selber lösen wenn demnächst ein Misch-Vorverstärker
dazu kommt, aber das ist ein anderes (zukünftiges) Projekt.
Nachtrag: Nachdem ich bei den EF86 Vorröhren die röhreninternen Abschirmungen auf Masse gelegt und die Symmetrierung der Heizspannung von der linken Vorröhre zum Ladeelko hin verlegt habe ist Ruhe im Karton ... schäm ... ;-)
Zu guter Letzt habe ich dann noch die bisher nicht eingebaute aber vorgesehene
Gegenkopplung in Betrieb genommen. Diese habe ich mit einem Schalter versehen
um deren Wirkung einfach austesten zu können. Ergebnis: Mit Gegenkopplung
wird natürlich die Gesamtverstärkung gut merklich geringer, aber
ich habe genug Eingangspegel um das problemlos auffangen zu können.
Es ist aber erstaunlich welchen positiven Einfluß die Gegenkopplung
auf die Bässe hat, zumindest bei meinen kleinen Ausgangsübertragern.
Es hat sich wirklich gelohnt die Gegenkopplung noch in Betrieb zu nehmen,
wie die Messung des Frequenzgangs zeigt. Gemessen wurde mit einem Oszilloskop
und einem Eigenbau-Sinusgenerator, der allerdings nur bis 40Hz runter geht
(aber das reicht erstmal). Als Last hatte ich bei der ersten Messung die
MK2-Buschhörnchen angeschlossen da ich keinen geeigneten Widerstand
zur Hand hatte. Das hatte einen starken Einfluß auf das Messergebnis,
wie die erneute Messung mit einem 8,2 Ohm / 7 Watt Drahtwiderstand zeigte.
Frequenzgang des "recycling"-EL84 SE's (rechter Kanal), gemessen
mit Sinusgenerator und Oszilloskop.
Bei Start der Messungen wurde der Pegel jeweils bei 1kHz auf 4Vss
eingestellt. Last: Buschhorn MK2.
Hier spuckt mir wohl der Lautsprecher in die Suppe, wie der Vergleich
mit der folgenden Messung zeigt.
Erneute Messung des Frequenzgangs, diesmal mit einem 8,2 Ohm Widerstand
als Last.
So sieht das doch schon deutlich plausibler aus. Den Anstieg in
den Höhen bei aktiver Gegenkopplung
kann ich mir durch Phasendrehungen bei höheren Frequenzen im
Übertrager erklären, ich habe sonst
nämlich keine Frequenzgang-beeinflussenden Komponenten im Signalpfad
(außer natürlich die Koppel-
kondensatoren, aber die spielen nur bei der unteren Grenzfrequenz
eine Rolle). Diese Annahme wurde
mir mittlerweile von den Spezis von Jogis-Röhrenbudebestätigt.
Und so sieht das Ganze dann beim "first sound" aus, es läuft
gerade "light at the end" von Mark Gillespie's "Exit"-Album,
eine würdige Einweihung (siehe auch musikalischen Teil meiner Homepage).
mail: Reinhard.Lauterbach[at]freenet.de